Keine Frauendomäne: Sicherheitspolitik aus der Geschlechterperspektive

Keine Frauendomäne: Sicherheitspolitik aus der Geschlechterperspektive

Nächstes Jahr ist es bereits 20 Jahre her, dass der Sicherheitsrat der Uno die Resolution 1325 beschlossen hat. Diese verpflichtet die Mitgliedstaaten, die unterschiedlichen Auswirkungen von bewaffneten Konflikten auf Frauen und Männer sowie die wesentliche Rolle von Frauen in Friedensprozessen zu berücksichtigen. Fragen von Geschlecht, Gleichstellung und Frauenrechten wurden damit als zentral für die Erreichung dauerhaften Friedens und nachhaltiger Sicherheit definiert. Die österreichische Bundesregierung beschloss 2007 den ersten Nationalen Aktionsplan zur Umsetzung der Resolution, und unter dem österreichischen Ratsvorsitz hat die Europäische Union Ende 2018 die Stärkung der Partizipation und des Schutzes von Frauen in allen Phasen von Friedensbemühungen der EU beschlossen. Auf Basis von UNSCR1325 bekennen sich Länder wie Schweden und Kanada sogar zu einer "Feminist Foreign Policy".

Gendersensitiver Blick auf Sicherheit und Krieg

Die Politik hat hier auf internationaler und nationaler Ebene vielfach mutige Akzente gesetzt, auch wenn die Umsetzung oftmals noch zu wünschen übrig lässt. In der Forschung zu internationalen Beziehungen und Sicherheitspolitik gilt es dennoch bis heute als ungewöhnlich, Geschlecht und Sicherheit zusammenzudenken und eine Geschlechterperspektive auf die "großen Themen" der Disziplin einzunehmen. Dies liegt an einer Verengung des Blickwinkels, der nach wie vor auf die Sicherheit von Staaten fokussiert.

Eine gendersensitive Betrachtungsweise von Sicherheit, bewaffneten Konflikten, Krieg und Frieden geht hingegen andere Wege, weg von der verbreiteten Staats- und Institutionenzentriertheit und hin zu einem umfassenden Sicherheitsbegriff, der beispielsweise auch soziale und ökologische Faktoren mitberücksichtigt. Ein solcher Zugang hat in erster Linie die Sicherheit von Individuen, Frauen und Männern im Blick und kann so ihre oftmals unterschiedliche Betroffenheit von Sicherheitsmaßnahmen untersuchen. Dabei wird deutlich, dass nationale und internationale Sicherheitspolitik gleichzeitig immer auch Unsicherheit konstituiert. Nicht selten geht eine Erhöhung der Sicherheit für staatliche Akteure nämlich mit einer Verringerung jener von Frauen und marginalisierten Gruppen einher.

So führt militärische Aufrüstung meist zu Sozialabbau und kann zudem die Arbeitsmarktpartizipation von Frauen negativ beeinflussen. Aber auch die immer wiederkehrenden Fälle von sexuellen Übergriffen durch UN-Peacekeeping-Truppen auf die lokale Bevölkerung machen die Ambivalenz von Sicherheitsmaßnahmen deutlich. Die tatsächlichen Auswirkungen können daher ohne eine Inklusion der alltäglichen Sicherheitsbedürfnisse von Frauen nicht erfasst werden.

Männerdomänen

Diese Erkenntnisse sind keineswegs nur Subthemen von größeren sicherheitspolitischen Fragen, sie verändern vielmehr grundsätzlich die Art, wie diese Fragen gedacht und angegangen werden. Sie stellen zur Diskussion, ob Institutionen und Militärapparate überhaupt in der Lage sind, die spezifischen Sicherheitsbedürfnisse von Frauen in Einsatzgebieten zu erkennen und entsprechend zu berücksichtigen.

Dafür ist die Erhöhung des Frauenanteils in diesen Institutionen wichtig, aber nicht ausreichend. Zusätzlich muss spezifisches Genderwissen aufgebaut und implementiert werden, und es braucht neben institutionellen und strukturellen Maßnahmen auch eine Reflexion institutioneller Kulturen und deren Verknüpfung mit geschlechtsspezifischen Stereotypen, also mit Vorstellungen darüber, wie Männer und Frauen sind beziehungsweise sein sollen und was sie (nicht) können. Besonders der Bereich Sicherheit ist nicht nur physisch männerdominiert, sondern auch in unseren Köpfen stark mit Männlichkeit verknüpft. Dies drückt sich unter anderem darin aus, dass Frauen in sicherheitspolitischen Fragen als weniger kompetent wahrgenommen werden und ihre individuelle Sicherheit als weniger relevant beurteilt wird.

Frauen unterrepräsentiert

Ein an der Universität Wien durchgeführtes Forschungsprojekt zeigt diese vielfältigen Verknüpfungen von Geschlecht und Sicherheit am Beispiel der Auslagerung von Aufgaben in der militärischen Sicherheit an private Sicherheits- und Militärfirmen (PMSCs). Dieser Privatisierungsprozess verstärkt vielfach die ungleichen Geschlechterverhältnisse in einem ohnehin männlich dominierten Bereich. Frauen sind in der Sicherheitsindustrie mitunter noch mehr unterrepräsentiert als in staatlichen Sicherheits- und Verteidigungsinstitutionen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass PMSCs in erster Linie ihre Mitarbeiter aus jenen Teilen des staatlichen Militärs rekrutieren, in denen Frauen entweder formal ausgeschlossen oder extrem unterrepräsentiert sind, wie der Infanterie oder Spezialeinheiten. Außerdem greifen Gleichstellungspolitiken, die im staatlichen Militär zu einem gewissen Grad verankert sind, im relativ unregulierten privaten Bereich kaum. Die Möglichkeiten, Fälle von geschlechtsspezifischer Gewalt im Einsatzgebiet zu ahnden, sind ebenfalls eingeschränkt, wenn die Täter Söldner sind.
Neben diesen institutionellen und rechtlichen Fragen sind auch die Auswirkungen von militärischer Privatisierung auf kulturelle Vorstellungen, Männlichkeitsideale und den Sicherheitsbegriff an sich zu bedenken. Denn Sicherheitsfirmen bedienen sich Bilder des harten, männlichen Beschützers, um ihre Dienste zu bewerben; Männlichkeit wird zum Marketing-Instrument. Frauen werden in diesen Rollen immer undenkbarer, da Firmen oftmals überzeugt sind, dass sie auf dem Sicherheitsmarkt nicht vermittelbar sind, obwohl sie deren Fähigkeiten keineswegs infrage stellen.

Als marktvermitteltes Gut wird Sicherheit somit wieder vermehrt als maskulinisierte, militarisierte Domäne definiert. Konzepte wie umfassende Sicherheit geraten durch den Fokus auf die Sicherheit von Auftraggebern, also in erster Linie von Staaten, Unternehmen und wohlhabenden Privatpersonen, ins Hintertreffen. Privatisierung beeinflusst somit den Sicherheitsbegriff und die Art, wie dieser mit Geschlechterstereotypen zusammengedacht wird. Neben den Debatten über die Auswirkungen von Privatisierung auf Demokratiequalität, Rechtsstaatlichkeit und staatliches Gewaltmonopol gilt es daher, diesen Prozess auch auf seine geschlechtsspezifischen Implikationen hin zu überprüfen und stets zu fragen, wessen Sicherheit davon wie betroffen ist und wie die Antworten auf diese Fragen mit Gleichstellung vereinbar sind. (Saskia Stachowitsch, 9.10.2019)