Caspar Einem und die unabhängige Wissenschaft – Nachruf auf einen großen Ermöglicher

Caspar Einem und die unabhängige Wissenschaft – Nachruf auf einen großen Ermöglicher

Nachruf auf einen großen Ermöglicher
Von Saskia Stachowitsch und Cengiz Günay

Die Reaktionen auf den plötzlichen Tod von Caspar Einem haben deutlich gemacht, dass er vielen Menschen unterschiedlicher politischer Überzeugung in Österreich viel bedeutet hat. All jenen, die an ein weltoffenes, progressives Österreich jenseits des Kleingeistes und der Parteilichkeit glauben, war er Symbol für aufrichtige und prinzipientreue Politik, die an Dialog, Demokratie, Menschlichkeit und Gerechtigkeit orientiert ist. Besonders seine Verdienste als letzter liberaler, gar ‚linker‘ Innenminister, der sich dem wachsenden Rechtspopulismus entgegensetzte, sind in Erinnerung geblieben. Weniger Beachtung findet im Gedenken, dass Caspar Einem auch Wissenschaftsminister war und in dieser Funktion einiges bewegt hat, beispielsweise in der Frauenförderung, die er in der universitären Berufungspolitik gegen große Widerstände der Männerbünde konsequent betrieben hat. Kaum bekannt ist weiters, dass er sich als Europasprecher der SPÖ und Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses im Nationalrat in der österreichischen Außenpolitik engagierte, insbesondere für die Schaffung einer Gesprächsbasis zwischen Konfliktparteien im Nahen Osten.

Aus dem Großbürgertum stammend hatte Einem eine privilegierte soziale Stellung. Diese hat er nie negiert, sondern kompromisslos für wichtige gesellschaftliche Anliegen eingesetzt. Er verstand das Spiel der Macht, ohne sich anzupassen oder gar anzubiedern. So hat er – neben vielen anderen Verdiensten – die außeruniversitäre Wissenschaft und Forschung unterstützt, insbesondere für die Sozialwissenschaften und die internationale Politikforschung. Seit 2011 war er Präsident des Österreichischen Instituts für Internationale Politik-oiip. Später wurde er auch Vize-Präsident des Europäischen Forum Alpbach und des Instituts für Höhere Studien. Diese Tätigkeiten sind keineswegs als Fußnoten zu seiner Karriere in Politik und Industrie anzusehen, sondern stehen für unbeirrbares und unermüdliches Wirken für die freie Wissenschaft, ihren Austausch mit der Gesellschaft und insbesondere für die politikrelevante, evidenzbasierte Forschung zu außen- und sicherheitspolitischen Themen. Angesichts der kaum vorhandenen Finanzierungsstrukturen und des schwach ausgeprägten Austausches zwischen Politik und Wissenschaft war dies wahrlich keine leichte Aufgabe.

Um diese Probleme wissend wollte er in diesem Bereich etwas verändern, verbessern. Frei nach Hannah Arendts Politikbegriff stellte er dabei das gemeinsame Handeln in den Vordergrund, jenseits von Ideologie und Lagerdenken. So hat er gemeinsam mit einem Team aus Wissenschaftern und Wissenschafterinnen das oiip unter den schwierigen Bedingungen in der österreichischen Forschungslandschaft auf stabile Beine gestellt und zu einer der wenigen Einrichtungen gemacht, die Grundlagenforschung zu Außen- und Sicherheitspolitik betreibt und auch Politikberatung anbietet. Um dies zu ermöglichen, hat er seine Zeit und Energie, seine Kontakte und sein Wissen großzügig und selbstlos zu Verfügung gestellt sowie den Beteiligten angesichts der oftmals prekären Lage immer wieder Mut gemacht.

Hartnäckig, ja geradezu stur verfolgte er die Idee einer allgemeinen Finanzierungsstruktur für die außeruniversitäre Forschung, die sich an jener der Leibniz Gesellschaft in Deutschland orientierten sollte. Er wollte dadurch hohe Qualität und Praxisrelevanz in einer vielfältigen und unabhängigen Forschungslandschaft sicherstellen. Auch dies betrieb er – ganz ‚un-österreichisch‘ – nicht nur für ‚seine‘, sondern für alle vergleichbaren Institutionen. So war Caspar Einem. Einer, der sich für die gute Sache jenseits von Ideologie und Lagerdenken einsetzte. Sein plötzlicher Tod ist nicht nur für die betroffenen Institutionen, sondern für den gesamten Forschungsstandort Österreich ein großer Verlust.

Erschienen in "Die Presse" am 21.9.2021