Religion, Geld und Allianzen – Wie Parteiinteressen die Außenpolitik der Türkei leiten

Religion, Geld und Allianzen – Wie Parteiinteressen die Außenpolitik der Türkei leiten

Kurzanalyse 2 / 2022
Cengiz Günay, Lena Maria Fruth, Caroline Sariciftci

Zusammenfassung
Die Türkei durchläuft seit einigen Jahren einen Prozess der Autokratisierung mit demokratischer Zustimmung. Dieser ist durch eine Verengung der demokratischen Freiheiten und Möglichkeiten, die Umfärbung staatlicher Institutionen, der Begünstigung von regierungsnahen Unternehmer:innen sowie die zunehmende Personalisierung der Macht in den Händen von Präsident Recep Tayyip Erdoğan gekennzeichnet. Einen Höhepunkt erreichte die Autokratisierung in Folge des gescheiterten Putschversuches im Jahr 2016 und der Einführung des Präsidialsystems im Jahr 2018 in Folge eines Referendums 2017. Diese Entwicklungen blieben nicht ohne Auswirkungen auf die Gestaltung der türkischen Außen- und Nachbarschaftspolitik. Hier kam es zu einer immer stärkeren Verwischung der Grenzen zwischen Innen- und Außenpolitik. Die Außenpolitik wurde zusehends zu einer Erweiterung der Innenpolitik und ist durch die politischen und wirtschaftlichen Interessen der Regierungspartei AKP (Partei für Gerechtigkeit und Aufschwung) und ihres Vorsitzenden Recep Tayyip Erdoğan geleitet. Eine prononcierte Identitätspolitik positioniert Präsident Erdoğan, seine Partei und die Türkei als Fürsprecherin von unterdrückten, marginalisierten Muslim:innen in der Welt. Demnach verteidigt Präsident Erdoğan die Rechte und die Würde einer imaginierten transnationalen Umma nicht nur gegenüber dem „Westen“, sondern auch den eigenen korrupten Eliten. Die Identitätspolitik geht mit knallharten wirtschaftlichen und politischen Interessen des Präsidenten bzw. seiner Partei einher. Die Kurzanalyse erläutert wie Außen- und Nachbarschaftspolitik zu einer Plattform für parteiische Interessen wurden und wie dies die Handlungsoptionen der Türkei mittel- bis langfristig einschränkt. Sie zeigt dies anhand der Politik gegenüber migrantischen Communities in Europa, Muslim:innen auf dem Balkan sowie gegenüber dem Nahen Osten auf.

Keywords:
Türkei, Autokratisierung, Außenpolitik, Identitätspolitik, Präsident Erdoğan, AKP

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