Wang Yi in Österreich: China sucht Verbündete

Wang Yi in Österreich: China sucht Verbündete

Thomas Eder
Research Fellow

Die Presse
12.9.2025
Analyse von Thomas Eder

Erstmals empfängt Österreichs Außenministerin Meinl-Reisinger den chinesischen Chefdiplomaten Wang. Peking gibt sich im Vorfeld wohlwollend, doch heikle Themen bestehen.

Wang Yi war in den vergangenen Jahren immer wieder zu Gast in Wien. Erstmals seit sieben Jahren reist Chinas Außenminister aber zu einem bilateralen Besuch an und wird zum ersten Mal Neos-Außenministerin Beate Meinl-Reisinger treffen. Auch ein Gespräch mit Bundespräsident Alexander Van der Bellen ist geplant.

Herrschte vor der Pandemie Aufbruchstimmung – 2018 schlossen Peking und Wien eine „freundliche strategische Partnerschaft“ –, änderten sich die geopolitischen und wirtschaftlichen Vorzeichen seither. Auch die Dreierkoalition aus ÖVP, SPÖ und Neos stellte China zunächst vor die Frage, wie sich Österreich künftig positionieren wird.

Wang Yi, ein Routinier im Auftrag Xi Jinpings

Wang Yi ist ein Routinier. Diszipliniert, schwer zu lesen – so beschreibt ihn manch europäischer Beobachter. Wang prägte Chinas Außenpolitik von 2013 bis 2022 und wieder ab 2023. Er ist den Zielen von Staats- und Parteichef Xi Jinping absolut verpflichtet: Der 71-Jährige soll Chinas Vorhaben einer multipolaren Weltordnung diplomatisch ebnen und die Volksrepublik als verantwortungsvollen Partner im Gegensatz zu den USA positionieren.

55 Jahre diplomatische Beziehungen

Chinas Außenamt äußerte sich im Vorfeld des Besuchs wohlwollend: Die Beziehungen hätten sich insgesamt „gut entwickelt“. Wang Yi wolle einen „intensiven Gedankenaustausch über die Vertiefung bilateraler und multilateraler Zusammenarbeit“ führen. Für Österreich stünden bilaterale Beziehungen, wirtschaftliche Zusammenarbeit und kulturelle Kooperationen im Mittelpunkt, so das Außenministerium.

Der Besuch steht auch im Zeichen des 55-Jahr-Jubiläums diplomatischer Beziehungen 2026. Zu diesem Anlass könnte China eine Einladung für eine österreichische Delegation aussprechen.

China für mehr gegenseitige Investitionen

Peking würde heikle Themen wohl lieber aussparen. Experte Thomas Eder vom Österreichischen Institut für Internationale Politik vermutet, dass Wang für mehr gegenseitige Investitionen wer­ben wird. Europas Auslandsdirektinvestitionen in China sind drastisch zurückgegangen. Vor diesem Hintergrund suche China Verbündete, um das 2020 auf Eis gelegte Investitionsabkommen mit der EU wiederzubeleben. Chinas amtierende Botschafterin in Österreich, Qi Mei, war in Brüssel maßgeblich an den Verhandlungen beteiligt.

Meinl-Reisinger will Ukraine ansprechen

Ganz oben auf der Agenda stehen für Meinl-Reisinger „geopolitische Herausforderungen wie der russische Angriffskrieg“, heißt es. Europäische Politiker kritisieren Peking für die Unterstützung Russlands, etwa durch die Lieferung militärisch nutzbarer Güter oder Rohstoffkäufe. Beim Weltkriegsgedenken in Peking stellte Xi seine Nähe zu Wladimir Putin öffentlich zur Schau. Peking weist die Vorwürfe zurück und will sich stattdessen als Friedensakteur positionieren – vor allem gegenüber dem Globalen Süden.

China war maßgeblich an der Annäherung zwischen Saudiarabien und dem Iran beteiligt. Auch im Ukraine-Krieg legte die KP-Führung Papiere für eine Friedenslösung vor. Wang Yi könnte Chinas Rolle als Vermittler im Gespräch mit Meinl-Reisinger thematisieren, so Eder: „Österreich war in der Vergangenheit eine Plattform für diverse Gespräche. Es könnte ein Austausch über zukünftige Prozesse stattfinden.“

Geschäfte statt Konfrontation

Österreichs China-Politik wird sich unter der Neos-Außenministerin wohl nicht grundlegend ändern. Von einer offiziellen China-Strategie hat Österreich bisher abgesehen. Stattdessen gibt es regelmäßige, ressortübergreifende Beratungen. Wien orientiert sich seit Jahren vorwiegend an der EU-Politik und an Deutschland, wenn es um den Umgang mit der Volksrepublik geht. Österreich wollte nicht offen anecken, um sich China-Geschäfte nicht zu verderben. Eine Teilnahme von Wirtschaftsvertretern ist diesmal nicht geplant, so die Wirtschaftskammer.

Handelsdefizit steigt

Die zweitgrößte Marktwirtschaft der Welt bleibt trotz steigender Herausforderungen einer der bedeutendsten Handelspartner Österreichs. Doch das Handelsbilanzdefizit wächst stetig. 2024 importierte Österreich 15,5 Milliarden Euro aus China, exportierte aber nur 5,5 Milliarden. Im ersten Halbjahr 2025 verschärfte sich das Ungleichgewicht. Grund dafür ist auch der Handelsstreit zwischen China und den USA: Chinesische Firmen leiten Exporte nach Europa um.

Österreichische Firmen spüren zudem Chinas Ausfuhrbeschränkungen auf seltene Erden. Zudem wird der chinesische Mitbewerb – vor dem Hintergrund staatlich gelenkter Industriepolitik und massiver finanzieller Unterstützung – zu einer immer ernster zu nehmenden Konkurrenz für österreichische Firmen. Doch sagt Franz Rößler, Wirtschaftsdelegierter der Wirtschaftskammer in Peking: „Österreich scheut Wettbewerb nicht, aber er soll fair sein.“

„Für Groß- und Mittelunternehmen führt kein Weg an China vorbei“, so Rößler. „China klettert vom Staat getrieben in der Innovationskette immer weiter nach oben. Der Technologie-Wettbewerb mit Europa wird daher schärfer werden. Heimische Firmen sollen wissen, was hier passiert.“ Nach der pandemiebedingten Reisepause seien einige Firmen überrascht über den Fortschritt gewesen, den China erreicht habe. Firmen, die mit Niederlassungen oder Produktionsstandorten vor Ort sind, versuchten in China beobachtete Trends und Innovationen auch in österreichische Zentralen einzuspielen. Sprich: Österreich versucht, sich Chinas Fortschritt zunutze zu machen.