
Neue Geopolitik am Balkan Wie Drittstatten wie China und Russland zur Autokratisierung und neuen Unsicherheiten beitragen und die fragile Sicherheitsordnung bedrohen?
Neue Geopolitik am Balkan Wie Drittstatten wie China und Russland zur Autokratisierung und neuen Unsicherheiten beitragen und die fragile Sicherheitsordnung bedrohen?
Working Paper 124 / April 2025
Vedran Dzihic, Thomas Eder und Veronika Nechaeva
Executive Summary
This working paper examines the current further deterioration of the security situation, the decline in the influence of the EU and the turning away from democracy in the geopolitical and ideological marketplace of the Western Balkans. It problematizes the partly gradual (EU) and partly radical and abrupt (USA under Trump II) transition of the transatlantic West from normative ideas to transactionalism. The authors of the paper outline the assessments and intentions of the increasingly autocratic leaderships in Belgrade and Banja Luka, analyze the role and influence of Beijing and Moscow and discuss the implications of this for the EU.
The Chinese leadership sees Serbia (alongside Hungary) as an anchor of a new China-led world order in Europe. This working paper shows the projects with which China became a larger investor in Serbia in 2023 and 2024 than the entire EU-27. However, it also draws a correlation with Serbia’s adaptation to China’s foreign policy decisions, which suggests that Belgrade is increasingly accepting Beijing’s conditionality here. In the narrative of the Chinese experts and the regimes in Serbia and Republika Srpska, there is a great deal of agreement – both warn against protests and the opposition as being part of Western “colorful revolution” efforts.
As a traditionally strong partner of the Serbs in the region, Russia remains very popular and present. However, Russia’s policy in the Balkans has been rather reactive in recent years and primarily focused on preserving former channels of influence through disinformation, intelligence activities and energy supplies. Russia is using ethno-religious nationalist arguments to help bring Serbia closer to the BRICS group of states, which is attractive due to China’s economic rise.
Political elites in Belgrade and Banja Luka are trying to use so-called “third actors” such as China and Russia in transactional hedging in order to secure their personal positions and power. Intensive and sustained media campaigns have influenced public opinion in the respective populations against the West and in favor of China and Russia. Opinion polls correlate with increasingly positive attitudes towards autocratic systems.
While Serbia’s President Vučić and the President of Republika Srpska Dodik can rely more heavily on China and Russia and push ahead with the dismantling of democracy and immunize themselves against protests, the risk of active border revisionism and also the danger for KFOR and EUFOR troops in Bosnia-Herzegovina and Serbia increases. For the next ten years, the authors draw the following scenarios: 1) status quo and gradual loss of EU influence, 2) new geopolitical battlefield in the Western Balkans and Serbia’s accession to BRICS, 3) resurgence of the EU and democratic change in Serbia.
Zusammenfassung
Das vorliegende Arbeitspapier beleuchtet die aktuelle erneute Verschlechterung der Sicherheitslage, den Einflussverlust der EU und die Abkehr von der Demokratie auf dem geopolitischen und ideologischen Marktplatz des Westbalkans. Es problematisiert den teils schleichenden (EU), teils radikalen und abrupten (USA unter Trump II) Übergang des transatlantischen Westens von normativen Vorstellungen zum Transaktionalismus. Die Autor:innen des Papiers legen die Einschätzungen und Intentionen der zunehmend autokratischen Führungen in Belgrad und Banja Luka dar, analysieren die Rolle und den Einfluss von Beijing und Moskau und diskutieren deren Auswirkungen auf die EU.
Die chinesische Führung sieht Serbien (neben Ungarn) als Anker einer neuen Weltordnung unter chinesischer Führung in Europa. Dieses Arbeitspapier zeigt, mit welchen Projekten China in den Jahren 2023 und 2024 zu einem größeren Investor in Serbien wurde als die EU-27 insgesamt. Es zeichnet aber auch eine Korrelation mit der Anpassung Serbiens an Chinas außenpolitische Entscheidungen, die nahelegt, dass Belgrad hier zunehmend die Konditionalität Beijings akzeptiert. Im Narrativ der chinesischen Expert:innen und der Regime in Serbien und der Republika Srpska gibt es eine große Übereinstimmung – beide warnen unisono vor Protesten und Opposition als allesamt Teil westlicher „Farbrevolutions“-Bemühungen.
Russland als traditionell starker Partner der Serb:innen in der Region bleibt weiterhin sehr populär und auch präsent. Allerdings wirkt die russische Politik auf dem Balkan in den letzten Jahren eher reaktiv und konzentriert sich vor allem auf die Aufrechterhaltung früherer Einflusskanäle durch Desinformation, nachrichtendienstliche Aktivitäten und Energielieferungen. Mit ethno-religiös-nationalistischen Argumenten trägt Russland dazu bei, Serbien an die durch den wirtschaftlichen Aufstieg Chinas attraktive Gruppe der BRICS-Staaten heranzuführen.
Die Machthaber in Belgrad und Banja Luka versuchen im Rahmen eines transaktionalen Hedging, so genannte „Third Actors“ wie China und Russland zu nutzen, um ihre persönlichen Positionen und ihre Macht zu sichern. Durch intensive und anhaltende Medienkampagnen konnte das Meinungsbild der jeweiligen Bevölkerungen gegen den Westen und für China und Russland beeinflusst werden. Meinungsumfragen zeigen korrelierend immer positivere Einstellungen zu autokratischen Systemen. Während sich der serbische Präsident Vučić und der Präsident der Republika Srpska Dodik verstärkt auf China und Russland stützen können und den Demokratieabbau vorantreiben und sich gegen Proteste immunisieren, steigt die Gefahr eines aktiven Grenzrevisionismus und auch die Gefahr für die KFOR- und EUFOR-Truppen in Bosnien-Herzegowina und Serbien. Als mögliche Entwicklungen für die nächsten Jahre zeigen die Autor:innen drei mögliche Szenarien auf: 1) Status quo und allmählicher Einflussverlust der EU, 2) neues geopolitisches Kampffeld Westbalkan und BRICS-Beitritt Serbiens, 3) Wiedererstarken der EU und demokratischer Wandel in Serbien.
Keywords:
Serbien, Bosnien und Herzegowina, Westbalkan, Geopolitik, EU, China, Russland, Autokratisierung
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